
E-Rechnung: Warum ZUGFeRD für KMU die bessere Wahl ist
Julia Müller
Lesezeit ca. 9 Minuten / veröffentlicht am
Übersicht
Mit der verpflichtenden Einführung der elektronischen Rechnung im B2B-Bereich stehen deutsche Unternehmen vor der Entscheidung zwischen verschiedenen E-Rechnungsformaten. Während sowohl ZUGFeRD als auch XRechnung die europäische Norm EN 16931 erfüllen, unterscheiden sie sich erheblich in ihrer Ausrichtung und praktischen Handhabung.
Für kleine und mittlere Unternehmen erweist sich ZUGFeRD als die deutlich praktikablere Lösung. Das hybride Format kombiniert die Vorteile der Digitalisierung mit der gewohnten Lesbarkeit herkömmlicher Rechnungen und bietet dabei maximale Flexibilität für verschiedene Geschäftsbeziehungen.
Die Wahl des richtigen E-Rechnungsformats beeinflusst nicht nur die technische Umsetzung, sondern auch die Akzeptanz bei Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Eine fundierte Bewertung der verschiedenen Optionen ist daher entscheidend für eine erfolgreiche Digitalisierung der Rechnungsprozesse.
Grundlagen der E-Rechnung und Formatstandards
Definition und rechtliche Anforderungen
Eine elektronische Rechnung nach deutscher und europäischer Definition muss in einem strukturierten elektronischen Datenformat erstellt, übermittelt und empfangen werden, das eine automatisierte Verarbeitung ermöglicht. Diese Definition schließt herkömmliche PDF-Rechnungen explizit aus, da diese zwar digital übertragen werden, aber keine automatisierte Datenextraktion ermöglichen.
Die europäische Norm EN 16931 bildet die Grundlage für alle zulässigen E-Rechnungsformate in Deutschland. Sie definiert ein semantisches Datenmodell, das die Informationselemente einer Rechnung und deren Beziehungen beschreibt. Gleichzeitig legt sie die zulässigen Syntaxen fest, wobei hauptsächlich UBL (Universal Business Language) und CII (Cross Industry Invoice) zum Einsatz kommen.
Seit dem 1. Januar 2025 müssen alle deutschen Unternehmen in der Lage sein, strukturierte E-Rechnungen zu empfangen. Für die Ausstellung gelten gestaffelte Übergangsfristen, die eine schrittweise Umstellung bis 2028 ermöglichen.
Technische Grundlagen strukturierter Datenformate
Strukturierte E-Rechnungen unterscheiden sich fundamental von bisherigen elektronischen Rechnungsformaten durch ihre maschinenlesbare Datenstruktur. Alle relevanten Rechnungsinformationen sind in definierten Datenfeldern an festgelegten Positionen gespeichert, wodurch eine automatisierte Weiterverarbeitung ohne manuellen Eingriff möglich wird.
Diese Strukturierung ermöglicht es ERP- und Buchhaltungssystemen, Rechnungsdaten direkt zu importieren, zu validieren und zu verarbeiten. Dabei können sowohl einfache als auch komplexe Geschäftsprozesse abgebildet werden, von standardisierten Lieferungen bis hin zu projektbezogenen Abrechnungen mit detaillierten Kostenstellen.
Die automatisierte Verarbeitung reduziert nicht nur den manuellen Aufwand, sondern minimiert auch Erfassungsfehler und beschleunigt die gesamte Kreditorenbuchhaltung. Gleichzeitig schaffen die einheitlichen Standards die Basis für eine nahtlose Integration verschiedener Geschäftssysteme.
ZUGFeRD: Das hybride Format für die Wirtschaft
Aufbau und Funktionsweise von ZUGFeRD
ZUGFeRD steht für "Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland" und wurde speziell für die Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft entwickelt. Das Format kombiniert eine menschenlesbare PDF/A-3-Datei mit strukturierten XML-Daten, die unsichtbar in das PDF eingebettet werden.
Diese hybride Struktur ermöglicht es, dass dieselbe Datei sowohl von Menschen als auch von Maschinen verarbeitet werden kann. Empfänger ohne entsprechende Software können die Rechnung als gewöhnliches PDF betrachten und bearbeiten, während automatisierte Systeme parallel die strukturierten Daten extrahieren und verarbeiten.
Die XML-Komponente basiert auf der CII-Syntax und erfüllt vollständig die Anforderungen der europäischen Norm EN 16931. Damit ist ZUGFeRD nicht nur national, sondern auch international einsetzbar und zukunftssicher.
Profile und Anwendungsbereiche
ZUGFeRD bietet verschiedene Profile für unterschiedliche Anwendungsszenarien. Das BASIC-Profil enthält die wesentlichen Rechnungsinformationen und eignet sich für einfache Geschäftsprozesse. Das COMFORT-Profil erweitert diese um zusätzliche Funktionen wie Rabatte und detaillierte Positionsangaben.
Das EXTENDED-Profil bildet auch komplexe Geschäftsbeziehungen ab und unterstützt erweiterte Funktionen wie Teilrechnungen oder projektbezogene Abrechnungen. Seit Version 2.1.1 steht zusätzlich das XRechnung-Profil zur Verfügung, das die spezifischen Anforderungen der öffentlichen Verwaltung erfüllt.
Diese Profilvielfalt ermöglicht es Unternehmen, mit einem einzigen Format sowohl private Geschäftspartner als auch öffentliche Auftraggeber zu bedienen. Damit reduziert sich der technische Aufwand und die Komplexität der IT-Systeme erheblich.
Vorteile für kleine und mittlere Unternehmen
Für KMU bietet ZUGFeRD entscheidende Vorteile bei der Einführung elektronischer Rechnungen. Die Menschenlesbarkeit des PDF-Teils ermöglicht es, auch ohne spezialisierte Software sofort mit dem neuen Format zu arbeiten. Mitarbeiter können ZUGFeRD-Rechnungen wie gewohnte PDF-Rechnungen behandeln, während parallell die Automatisierungsvorteile genutzt werden.
Die graduelle Implementierung ist ein weiterer wichtiger Vorteil für kleinere Betriebe. Unternehmen können zunächst ZUGFeRD-Rechnungen versenden und empfangen, ohne sofort ihre gesamten Systeme umstellen zu müssen. Die Automatisierung kann schrittweise ausgebaut werden, sobald entsprechende Software verfügbar ist.
Die breite Akzeptanz von ZUGFeRD in der deutschen Wirtschaft reduziert zudem Abstimmungsaufwand mit Geschäftspartnern. Viele Unternehmen haben bereits Erfahrungen mit dem Format gesammelt, was die praktische Umsetzung erleichtert.
XRechnung: Der Standard für die öffentliche Verwaltung
Entwicklung und Zielsetzung
Die XRechnung wurde von der Koordinierungsstelle für IT-Standards (KoSIT) als deutscher Standard für den elektronischen Rechnungsaustausch mit Behörden entwickelt. Sie basiert vollständig auf der europäischen Norm EN 16931 und ist seit 2020 verpflichtend für alle Rechnungen an die öffentliche Verwaltung.
Als reines XML-Format verzichtet die XRechnung bewusst auf visuelle Komponenten und konzentriert sich ausschließlich auf die strukturierte Datenübertragung. Diese Fokussierung ermöglicht eine hocheffiziente automatisierte Verarbeitung in den IT-Systemen der öffentlichen Verwaltung.
Die XRechnung kann sowohl in UBL- als auch in CII-Syntax implementiert werden, wobei beide Varianten identische Daten enthalten und vollständig kompatibel sind. Die Wahl der Syntax hängt dabei von den technischen Präferenzen des implementierenden Systems ab.
Technische Eigenschaften und Beschränkungen
Die XRechnung ist ausschließlich maschinenlesbar und erfordert spezielle Software zur Anzeige und Bearbeitung. Für Menschen ist das reine XML-Format ohne entsprechende Tools nicht interpretierbar, was die praktische Handhabung insbesondere für kleinere Unternehmen erschwert.
Die starke Standardisierung der XRechnung ermöglicht eine sehr effiziente automatisierte Verarbeitung, schränkt aber gleichzeitig die Flexibilität ein. Branchenspezifische Erweiterungen oder individuelle Anpassungen sind nur in begrenztem Umfang möglich.
Seit 2021 können durch sogenannte Extensions zusätzliche Funktionen wie hierarchische Rechnungszeilen oder XML-Anhänge realisiert werden. Diese Erweiterungen sind jedoch primär für spezialisierte Anwendungsfälle in der öffentlichen Verwaltung konzipiert.
Einsatzgebiete und Beschränkungen
Die XRechnung ist verpflichtend für alle Rechnungen an deutsche Behörden und öffentliche Auftraggeber. Für Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend mit der öffentlichen Verwaltung Geschäfte machen, stellt sie daher die naheliegende Wahl dar.
Im B2B-Bereich ist die XRechnung jedoch nicht weit verbreitet. Die fehlende Menschenlesbarkeit und die technischen Anforderungen führen dazu, dass private Unternehmen häufig flexiblere Formate bevorzugen.
Für Unternehmen mit gemischten Kundenstrukturen entstehen durch die ausschließliche Nutzung der XRechnung praktische Probleme, da separate Lösungen für verschiedene Kundengruppen erforderlich werden.
Vergleichende Bewertung für KMU
Menschenlesbarkeit und Benutzerfreundlichkeit
Der fundamentale Unterschied zwischen ZUGFeRD und XRechnung liegt in der Menschenlesbarkeit. Während ZUGFeRD durch seine PDF-Komponente ohne spezielle Software lesbar und bearbeitbar ist, erfordert die XRechnung entsprechende Visualisierungstools.
Für KMU mit begrenzten IT-Ressourcen ist dieser Unterschied von entscheidender Bedeutung. ZUGFeRD ermöglicht es, elektronische Rechnungen wie gewohnte PDF-Dokumente zu behandeln, während gleichzeitig die Automatisierungsvorteile genutzt werden können. Dies reduziert Schulungsaufwand und Umstellungskosten erheblich.
Die Benutzerfreundlichkeit von ZUGFeRD führt zu einer höheren Akzeptanz bei Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Insbesondere bei Unternehmen ohne spezialisierte IT-Abteilungen ist dies ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Digitalisierung.
Flexibilität und Kundenabdeckung
ZUGFeRD bietet deutlich mehr Flexibilität bei der Kundenbetreuung. Das Format kann sowohl für B2B-Geschäfte als auch für Rechnungen an Behörden verwendet werden, insbesondere seit der Einführung des XRechnung-Profils in Version 2.1.1.
Diese Universalität ermöglicht es KMU, mit einem einzigen Format alle ihre Geschäftsbeziehungen abzudecken. Im Gegensatz dazu würde die ausschließliche Nutzung der XRechnung eine separate Lösung für private Geschäftskunden erfordern.
Die Profile-Vielfalt von ZUGFeRD ermöglicht zudem eine bedarfsgerechte Anpassung an verschiedene Geschäftsprozesse. Einfache Geschäfte können mit dem BASIC-Profil abgewickelt werden, während komplexere Anforderungen durch erweiterte Profile abgedeckt werden.
Implementierungsaufwand und Kosten
Die Implementierung von ZUGFeRD ist für KMU deutlich kostengünstiger und weniger komplex als die Einführung der XRechnung. Viele Standard-Buchhaltungsprogramme unterstützen bereits ZUGFeRD, während XRechnung häufig zusätzliche Softwaremodule oder externe Dienste erfordert.
Die hybride Natur von ZUGFeRD ermöglicht eine schrittweise Automatisierung. Unternehmen können zunächst die PDF-Komponente nutzen und später die strukturierten Daten für die Automatisierung erschließen. Dies reduziert die initialen Investitionen und das Projektrisiko.
Der Schulungsaufwand für ZUGFeRD ist minimal, da die PDF-Komponente intuitiv bedienbar ist. Im Gegensatz dazu erfordert die XRechnung umfassende Schulungen für alle beteiligten Mitarbeiter, da das Format ohne entsprechende Software nicht nutzbar ist.
Technische Integration und Systemanforderungen
Software-Unterstützung und Verfügbarkeit
Die Unterstützung für ZUGFeRD ist in der deutschen Software-Landschaft deutlich breiter als für XRechnung. Viele etablierte Buchhaltungs- und ERP-Systeme bieten bereits native ZUGFeRD-Funktionen, während XRechnung häufig separate Module oder Schnittstellen erfordert.
Für die grundlegende Nutzung von ZUGFeRD sind keine speziellen Softwareinvestitionen erforderlich. Standard-PDF-Reader können die visuellen Inhalte anzeigen, während kostenlose Viewer-Tools die strukturierten Daten zugänglich machen. Die Finanzverwaltung stellt sogar einen kostenlosen ZUGFeRD-Viewer über ELSTER zur Verfügung.
XRechnung hingegen erfordert spezielle Software für die Anzeige und Bearbeitung. Zwar gibt es kostenlose Viewer, diese bieten jedoch oft nur eingeschränkte Funktionalitäten für die praktische Arbeit.
Automatisierungspotenziale
Beide Formate bieten grundsätzlich identische Automatisierungsmöglichkeiten, da sie auf denselben strukturierten Datenstandards basieren. Der Unterschied liegt in der praktischen Umsetzung und der Flexibilität bei der schrittweisen Einführung.
ZUGFeRD ermöglicht es KMU, mit manueller Bearbeitung zu beginnen und sukzessive Automatisierungsfunktionen zu ergänzen. Dies ist besonders vorteilhaft für Unternehmen mit saisonalen Schwankungen oder unterschiedlichen Prozessanforderungen.
Die Automatisierung von XRechnung-Prozessen erfordert von Beginn an entsprechende Software-Lösungen. Dies kann für kleinere Unternehmen eine Hürde darstellen, insbesondere wenn die Rechnungsvolumen nicht ausreichen, um die Investitionen zu rechtfertigen.
Archivierung und Compliance
Beide Formate erfüllen die gesetzlichen Anforderungen für die Archivierung elektronischer Rechnungen. ZUGFeRD bietet jedoch praktische Vorteile bei der langfristigen Verfügbarkeit, da die PDF-Komponente auch ohne spezielle Software lesbar bleibt.
Die Archivierung von ZUGFeRD-Rechnungen erfolgt im ursprünglichen Format, wobei sowohl die PDF- als auch die XML-Komponente erhalten bleiben. Dies gewährleistet maximale Zukunftssicherheit und erleichtert spätere Migrationen oder Systemwechsel.
XRechnung-Archive erfordern entsprechende Software-Tools für den langfristigen Zugriff. Bei Systemwechseln oder längeren Archivierungszeiten kann dies zu Kompatibilitätsproblemen führen.
Marktentwicklung und Zukunftsperspektiven
Verbreitung in der deutschen Wirtschaft
ZUGFeRD hat sich als das dominierende E-Rechnungsformat im deutschen B2B-Bereich etabliert. Laut aktuellen Studien nutzen bereits 45 Prozent der Unternehmen ZUGFeRD, während XRechnung mit 26 Prozent deutlich dahinter liegt. Diese Verbreitung spiegelt die praktischen Vorteile des Formats für Unternehmen wider.
Die breite Akzeptanz von ZUGFeRD schafft Netzwerkeffekte, die besonders für KMU vorteilhaft sind. Je mehr Unternehmen das Format nutzen, desto einfacher wird die Kommunikation mit Geschäftspartnern und desto größer wird das Angebot an Softwarelösungen.
Die internationale Entwicklung zeigt ebenfalls eine Tendenz zu hybriden Formaten. Das französische Factur-X basiert auf derselben Grundlage wie ZUGFeRD und ermöglicht grenzüberschreitende Geschäfte mit einem einheitlichen Format.
Technologische Weiterentwicklung
Die Entwicklung von ZUGFeRD wird kontinuierlich vorangetrieben, um neue Geschäftsanforderungen und technologische Möglichkeiten zu integrieren. Die aktuelle Version 2.2 bietet bereits erweiterte Funktionen für komplexe Geschäftsprozesse und internationale Anwendungen.
Zukünftige Versionen werden voraussichtlich weitere Automatisierungsmöglichkeiten und eine noch bessere Integration in Cloud-basierte Geschäftssysteme bieten. Die hybride Struktur ermöglicht dabei eine evolutionäre Weiterentwicklung ohne Brüche in der Kompatibilität.
XRechnung konzentriert sich primär auf die Anforderungen der öffentlichen Verwaltung und wird weniger schnell weiterentwickelt. Dies kann langfristig zu Einschränkungen bei der Nutzung für kommerzielle Anwendungen führen.
Zusammenfassung
ZUGFeRD erweist sich für kleine und mittlere Unternehmen als die deutlich praktikablere Lösung für die Einführung elektronischer Rechnungen. Die Kombination aus Menschenlesbarkeit und strukturierten Daten ermöglicht eine schrittweise Digitalisierung ohne abrupte Systemwechsel oder hohe Investitionen.
Die Universalität des Formats, das sowohl B2B- als auch B2G-Anwendungen abdeckt, reduziert Komplexität und Kosten erheblich. Gleichzeitig bietet die breite Marktakzeptanz praktische Vorteile bei der Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern und der Auswahl von Softwarelösungen.
Während XRechnung ihre Berechtigung im öffentlichen Sektor hat, sprechen für KMU alle wesentlichen Faktoren für ZUGFeRD: geringere Einführungskosten, höhere Benutzerfreundlichkeit, größere Flexibilität und bessere Zukunftsperspektiven. Die Investition in ZUGFeRD stellt daher eine strategisch kluge Entscheidung für die Digitalisierung der Rechnungsprozesse dar.
Unternehmen, die heute die Weichen für ihre elektronische Rechnungsstellung stellen, sollten ZUGFeRD als Basis wählen und können bei Bedarf später spezifische Ergänzungen für besondere Anwendungsfälle implementieren. Diese Herangehensweise minimiert Risiken und maximiert gleichzeitig die Flexibilität für zukünftige Entwicklungen.
