
Wegzug nach Großbritannien: Steuerliche Fallstricke durch das Remittance-Prinzip

Julia Müller
Lesezeit ca. 3 Minuten / veröffentlicht am
Der Umzug nach Großbritannien kann für deutsche Staatsbürger erhebliche steuerrechtliche Folgen haben. Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen dem britischen "Remittance-Prinzip" und der erweiterten beschränkten Steuerpflicht in Deutschland führen zu komplexen Steuersituationen. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs hat diese Thematik nun präzisiert.
Übersicht
Die steuerlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien sind komplex und vielschichtig. Besonders relevant ist die Frage, wie Einkünfte besteuert werden, die zwar aus Deutschland stammen, aber von einer in Großbritannien ansässigen Person erzielt werden. Die britische Steuergesetzgebung bietet unter bestimmten Voraussetzungen das Privileg der Besteuerung auf "Remittance-Basis". Diese Regelung kann jedoch unerwartete Konsequenzen für die deutsche Besteuerung haben, wie ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs zeigt.
Das britische Remittance-Prinzip und seine steuerlichen Auswirkungen
Grundzüge des britischen Steuerprivilegs
Das britische Steuerrecht unterscheidet zwischen Personen, die in Großbritannien "domiciled" (beheimatet) sind, und solchen, die als "non-domiciled" gelten. Für letztere – typischerweise Zugezogene – besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, ihre ausländischen Einkünfte nur insoweit in Großbritannien zu versteuern, als diese tatsächlich nach Großbritannien transferiert ("remitted") werden. Dieses sogenannte "Remittance-Prinzip" stellt einen erheblichen steuerlichen Vorteil dar, da Einkünfte, die außerhalb Großbritanniens verbleiben, dort nicht besteuert werden.
Auswirkungen auf die deutsche Steuerpflicht
Die steuerlichen Privilegien in Großbritannien bleiben in Deutschland nicht ohne Folgen. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.01.2025 (Az. IX R 37/21) kann die Inanspruchnahme des britischen Remittance-Prinzips zu einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht in Deutschland führen. Im konkreten Fall hatte eine nach Großbritannien verzogene deutsche Staatsangehörige Vermietungseinkünfte sowie Zins- und Dividendenerträge aus Deutschland bezogen, ohne diese nach Großbritannien zu transferieren.
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach deutschem Recht
Rechtliche Grundlagen des § 2 AStG
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 des Außensteuergesetzes (AStG) ermöglicht es den deutschen Finanzbehörden, ins Ausland verzogene deutsche Staatsangehörige unter bestimmten Voraussetzungen für einen Zeitraum von zehn Jahren auch mit ihren nicht-ausländischen Einkünften zu besteuern. Voraussetzung dafür ist, dass die betreffende Person im Ausland einer niedrigen Besteuerung unterliegt.
Anwendung auf das Remittance-Prinzip
Der Bundesfinanzhof hat nun eindeutig festgestellt, dass die britische Besteuerung auf "Remittance-Basis" eine Vorzugsbesteuerung im Sinne des § 2 AStG darstellt. Diese steuerliche Besserstellung ist nicht der Allgemeinheit in Großbritannien zugänglich, sondern nur zugezogenen Steuerpflichtigen mit "non-domiciled"-Status. Da durch die vollständige steuerliche Freistellung des nicht nach Großbritannien transferierten Einkommens die Gesamtsteuerbelastung erheblich gemindert werden kann, greift der Ausgleichsmechanismus der erweiterten beschränkten Steuerpflicht.
Zusammenfassung
Das aktuelle Urteil des Bundesfinanzhofs verdeutlicht die komplexen steuerlichen Wechselwirkungen zwischen Deutschland und Großbritannien. Deutsche Staatsangehörige, die nach Großbritannien auswandern und dort vom Remittance-Prinzip profitieren möchten, müssen mit einer kompensierenden steuerlichen Belastung in Deutschland rechnen. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG kann dazu führen, dass Kapitalerträge und andere nicht-ausländische Einkünfte für bis zu zehn Jahre nach dem Wegzug weiterhin in Deutschland besteuert werden. Der Bundesfinanzhof hat zudem die verfassungs- und unionsrechtliche Konformität dieser Regelung bestätigt.
Für betroffene Steuerpflichtige ist es daher ratsam, die steuerlichen Konsequenzen eines Umzugs nach Großbritannien sorgfältig zu planen und die Wechselwirkungen zwischen den Steuersystemen beider Länder zu berücksichtigen. Die vermeintlichen Steuervorteile des britischen Systems können durch die deutsche Gesetzgebung neutralisiert werden und unter Umständen sogar zu einer höheren Gesamtsteuerbelastung führen.