
Steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen: Keine Versteuerung als Arbeitslohn

Julia Müller
Lesezeit ca. 4 Minuten / veröffentlicht am
Übersicht
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 17. April 2024 (Az. IX R 9/23) eine wichtige Klarstellung zur steuerlichen Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Mitarbeiterbeteiligungen getroffen. Die Entscheidung ist besonders relevant für Steuerberater und ihre Mandanten, da sie die Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Einkünften aus Kapitalvermögen präzisiert, wenn Mitarbeiter Anteile an ihrem Arbeitgeber oder verbundenen Unternehmen erwerben und später verkaufen.
BFH-Entscheidung zur Mitarbeiterbeteiligung
Hintergrund der Entscheidung
Im konkreten Streitfall hatte ein Mitarbeiter im Rahmen eines Beteiligungsprogramms Aktien seines Arbeitgebers bzw. eines verbundenen Unternehmens erworben. Diese Aktien wurden ihm zu einem Preis angeboten, der unter dem Marktwert lag (verbilligter Erwerb). Den Vorteil aus dem verbilligten Erwerb hatte der Arbeitgeber korrekt als Arbeitslohn versteuert. Später verkaufte der Mitarbeiter die Aktien mit erheblichem Gewinn.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass auch der Veräußerungsgewinn (teilweise) als nachträglicher Arbeitslohn zu versteuern sei, da die Beteiligung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stand.
Abgrenzung von Arbeitslohn und Kapitaleinkünften
Der BFH widersprach dem Finanzamt und stellte klar:
- Verbilligter Erwerb: Der Vorteil aus dem verbilligten Erwerb der Anteile stellt Arbeitslohn dar (§ 19 EStG) und ist im Zeitpunkt des Zuflusses (also beim Erwerb) zu versteuern. Hierfür gibt es unter Umständen Steuerbefreiungen oder -vergünstigungen (z.B. § 3 Nr. 39 EStG, § 19a EStG für Start-ups).
- Veräußerungsgewinn: Der Gewinn, der später bei der marktüblichen Veräußerung der Anteile erzielt wird, ist grundsätzlich kein Arbeitslohn. Er resultiert aus der Wertentwicklung der Anteile am Kapitalmarkt und der Investitionsentscheidung des Mitarbeiters.
- Kapitaleinkünfte: Solche Veräußerungsgewinne sind als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) zu behandeln. Sie unterliegen in der Regel der Abgeltungsteuer (25% zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer) oder, falls die Beteiligung im Privatvermögen mindestens 1% betrug, dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG, § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG).
Ausnahme: Nur wenn besondere Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass der Veräußerungsgewinn doch eine verkappte zusätzliche Vergütung für die Arbeitsleistung darstellt (z.B. eine Rückkaufvereinbarung zu einem festen, vom Marktwert unabhängigen Preis durch den Arbeitgeber), könnte eine Einstufung als Arbeitslohn in Betracht kommen. Dies war im Urteilsfall aber nicht gegeben.
Auswirkungen auf Steuerberater und Mandanten
Steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungen
Die BFH-Entscheidung bestätigt die bisherige herrschende Meinung und schafft Rechtssicherheit:
- Die Trennung zwischen dem Vorteil beim Erwerb (Arbeitslohn) und dem Gewinn bei Veräußerung (Kapitaleinkünfte) ist klar.
- Gewinne aus dem Verkauf von Mitarbeiteraktien oder -anteilen werden nicht pauschal dem (oft höher besteuerten) Arbeitslohn zugerechnet, nur weil sie aus dem Arbeitsverhältnis heraus ermöglicht wurden.
Dies ist für Mitarbeiter vorteilhaft, da Kapitaleinkünfte in der Regel niedriger besteuert werden als Arbeitslohn.
Beratung und Planung
Steuerberater sollten bei der Beratung zu Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (ESOP, Aktienoptionen etc.) die Konsequenzen klar aufzeigen:
- Erwerbsphase: Korrekte Ermittlung und Versteuerung des geldwerten Vorteils beim Erwerb, Prüfung von Freibeträgen/Vergünstigungen.
- Haltephase: Keine laufende Besteuerung (außer bei Dividenden).
- Veräußerungsphase: Klare Deklaration des Gewinns als Einkünfte aus Kapitalvermögen (Abgeltungsteuer oder Teileinkünfteverfahren).
Die genaue Ausgestaltung des Beteiligungsprogramms ist entscheidend, um eine ungewollte Einordnung als Arbeitslohn bei Veräußerung zu vermeiden.
Anpassung der Steuererklärungen
Mandanten, die in der Vergangenheit Gewinne aus der Veräußerung von Mitarbeiterbeteiligungen erzielt haben, sollten prüfen (lassen), ob diese korrekt als Kapitaleinkünfte deklariert wurden. Falls das Finanzamt hier fälschlicherweise von Arbeitslohn ausging, kann unter Umständen eine Korrektur bestandskräftiger Bescheide schwierig sein, für offene Fälle bietet das Urteil aber eine starke Argumentationsgrundlage.
Zusammenfassung
Das BFH-Urteil (IX R 9/23) bestätigt, dass Gewinne aus der marktüblichen Veräußerung von im Rahmen des Arbeitsverhältnisses (ggf. verbilligt) erworbenen Anteilen grundsätzlich als Kapitaleinkünfte und nicht als Arbeitslohn zu behandeln sind. Dies ist für Mitarbeiter meist steuerlich günstiger. Steuerberater erhalten damit wichtige Leitplanken für die Beratung und Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen sowie für die korrekte Deklaration in Steuererklärungen.
Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung zum Urteil IX R 9/23