Steuerliche Vorteile für Studierende: Optimierungspotenzial bei der Steuererklärung

Steuerliche Vorteile für Studierende: Optimierungspotenzial bei der Steuererklärung

Julia Müller

Julia Müller

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Übersicht

Für viele Steuerberater gehören Studierende nicht zur primären Zielgruppe. Doch die steuerliche Situation dieser Personengruppe bietet interessante Beratungsansätze mit signifikantem Einsparpotenzial. Laut Statistischem Bundesamt sind aktuell knapp 2,9 Millionen Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert, die alle potenziell von steuerlichen Vorteilen profitieren können. Besonders bei Zweitstudierenden ergeben sich umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten durch die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Erst- und Zweitstudium. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Möglichkeiten zur steuerlichen Optimierung für Studierende und gibt praktische Hinweise für die Beratungspraxis.

Steuerliche Behandlung von Studienkosten

Unterschiede zwischen Erst- und Zweitstudium nach der Rechtsprechung

Die steuerliche Behandlung von Studienkosten unterscheidet sich fundamental je nach Studientyp, wie durch § 9 Abs. 6 EStG gesetzlich verankert und durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Bei einem Erststudium können Studierende ihre Kosten lediglich als Sonderausgaben bis zu einer Höchstgrenze von 6.000 Euro pro Kalenderjahr geltend machen (in den Jahren 2004 bis 2011 galt eine Höchstgrenze von 4.000 Euro). Diese Einordnung hat einen entscheidenden Nachteil: Sonderausgaben wirken sich nur steuermindernd aus, wenn im selben Jahr auch entsprechende Einkünfte vorliegen.

Deutlich vorteilhafter gestaltet sich die Situation bei einem Zweitstudium. Hier können sämtliche Studienkosten als Werbungskosten deklariert werden. Der entscheidende Vorteil liegt in der Möglichkeit des Verlustvortrags: Entstehen während des Studiums keine oder nur geringe Einkünfte, können die Werbungskosten in die Folgejahre übertragen werden. Nach Studienabschluss und Berufseinstieg können diese aufgelaufenen Verluste dann mit den ersten Einkünften verrechnet werden, was zu erheblichen Steuererstattungen führen kann. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Differenzierung als sachlich gerechtfertigt angesehen, da die Gründe für eine Zweit- oder weitere Ausbildung so heterogen sind, dass sie sich einer typisierenden Erfassung als maßgeblich privat (mit-)veranlasst entziehen.

Diese unterschiedliche Behandlung wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19. November 2019 (Az. 2 BvL 22/14 u.a.) ausdrücklich bestätigt. Der Zweite Senat hat entschieden, dass die gesetzliche Regelung sachlich gerechtfertigt ist und nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Nach Auffassung des Gerichts durfte der Gesetzgeber Erstausbildungskosten als wesentlich privat (mit-)veranlasst qualifizieren, da die Erstausbildung nicht nur Berufswissen vermittelt, sondern die Person in einem umfassenderen Sinne prägt und eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung aufweist. Zudem korrespondiert diese Einordnung mit der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht der Eltern.

Abzugsfähige Kosten im Detail

Die Palette abzugsfähiger Studienkosten ist umfangreich und bietet zahlreiche Optimierungsmöglichkeiten:

  1. Lernmittel und Arbeitsmaterial: Hierzu zählen nicht nur Fachliteratur und klassischer Bürobedarf, sondern auch technische Ausstattung wie Computer, Tablets oder Drucker. Bei langlebigen Wirtschaftsgütern ist die korrekte Abschreibung zu beachten.

  2. Semesterbeiträge und Studiengebühren: Diese können vollständig als Kosten berücksichtigt werden, ebenso wie anfallende Zinsen für Studienkredite.

  3. Wohnkosten: Bei auswärtiger Unterbringung können Mietkosten steuerlich relevant sein. Besonders vorteilhaft kann die Geltendmachung eines häuslichen Arbeitszimmers sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Zuordnung entspricht auch der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen für die Lebensführung gehört und der Vorsorge für die persönliche Existenz dient.

  4. Mobilitätskosten: Fahrten zur Hochschule können als Werbungskosten bzw. Sonderausgaben angesetzt werden. Dies umfasst sowohl die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als auch die Entfernungspauschale bei Nutzung des eigenen Fahrzeugs.

  5. Auslandsstudium: Sämtliche Aufwendungen für Auslandssemester, einschließlich Reisekosten und Unterkunft, können steuerlich geltend gemacht werden.

  6. Praktika und berufsbezogene Tätigkeiten: Aufwendungen für studienbegleitende Praktika sind ebenfalls abzugsfähig.

Diese Positionen sollten in der Beratungspraxis systematisch durchgegangen werden, um keine Optimierungspotenziale zu verschenken.

Beratungsansätze nach Einkommenssituation

Studierende ohne oder mit geringen Einkünften

Auch für Studierende ohne eigene Einkünfte kann eine Steuererklärung sinnvoll sein. Zwar ergibt sich keine unmittelbare Steuererstattung, jedoch kann bei Zweitstudierenden ein Verlustvortrag generiert werden. Dieser Verlust wird vom Finanzamt festgestellt und kann in späteren Jahren mit Einkünften verrechnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss bestätigt, dass die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Erstausbildungskosten nicht gegen das Gebot der Steuerfreiheit des Existenzminimums verstößt, da der existenzielle Bedarf während der Erstausbildung grundsätzlich durch die Unterhaltspflicht der Eltern oder durch sozialrechtliche Unterstützung gedeckt wird.

BAföG-Leistungen und Stipendien sind steuerfrei und führen nicht zu steuerpflichtigen Einkünften. Dennoch sollten diese Studierenden eine Steuererklärung einreichen, um ihre Studienkosten geltend zu machen.

Bei Studierenden mit Nebenjobs ergeben sich verschiedene Konstellationen:

  1. Minijobber: Für pauschal versteuerte Minijobs besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung. Dennoch kann eine freiwillige Abgabe sinnvoll sein, um Studienkosten als Verlustvortrag festhalten zu lassen.

  2. Ferienarbeit und Praktikumsvergütungen: Hierbei kann die einbehaltene Lohnsteuer durch Abgabe einer Steuererklärung zurückgefordert werden, wenn die Jahreseinkünfte unter dem Grundfreibetrag (11.604 Euro für 2024) liegen.

  3. Selbstständige Tätigkeiten: Bei Überschreiten des Grundfreibetrags besteht Erklärungspflicht, was in der Beratung unbedingt zu kommunizieren ist.

  4. Mehrere Arbeitsverhältnisse: Bei parallelen Beschäftigungsverhältnissen entsteht ebenfalls eine Pflicht zur Abgabe der Steuererklärung.

Optimierungspotenziale für Eltern

Auch für Eltern studierender Kinder ergeben sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten:

  1. Ausbildungsfreibetrag: Eltern können einen pauschalen Ausbildungsfreibetrag von 1.200 Euro jährlich geltend machen, sofern das Kind auswärtig wohnt und Anspruch auf Kindergeld besteht. Dies berücksichtigt die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern, die grundsätzlich eine Berufsausbildung umfasst, die der Begabung und den Fähigkeiten des Kindes entspricht.

  2. Unterhaltszahlungen: Nach Wegfall des Kindergeldanspruchs (typischerweise nach Vollendung des 25. Lebensjahres) können Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung bis zu 11.604 Euro (Stand 2024) angesetzt werden, wobei eigene Einkünfte des Kindes oberhalb von 6.270 Euro angerechnet werden.

  3. Versicherungsbeiträge: Zahlungen für Kranken- und Pflegeversicherung des studierenden Kindes können unter bestimmten Voraussetzungen als Sonderausgaben der Eltern berücksichtigt werden.

Diese Gestaltungsmöglichkeiten sollten in der ganzheitlichen Beratung von Familien mit studierenden Kindern standardmäßig geprüft werden.

Zusammenfassung

Die steuerliche Situation Studierender bietet erhebliches Optimierungspotenzial, das in der Beratungspraxis gezielt genutzt werden sollte. Besonders die unterschiedliche Behandlung von Erst- und Zweitstudium, die durch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als verfassungskonform bestätigt wurde, eröffnet strategische Gestaltungsmöglichkeiten. Die umfangreiche Palette abzugsfähiger Studienkosten – von Lernmitteln über Wohnkosten bis hin zu Auslandssemestern – bietet vielfältige Ansatzpunkte für die Steueroptimierung.

Für eine effiziente Beratung empfiehlt sich ein strukturierter Ansatz anhand der individuellen Einkommenssituation der Studierenden. Besonders bei Zweitstudierenden sollte die Möglichkeit des Verlustvortrags konsequent genutzt werden, um langfristige Steuervorteile zu sichern. Auch bei Sonderfällen wie der Pilotenausbildung, die das Bundesverfassungsgericht als nicht typischen Fall der Erstausbildung anerkannt hat, sollten die besonderen Umstände berücksichtigt werden. Gleichzeitig können Eltern studierender Kinder durch geschickte Nutzung von Freibeträgen und Abzugsmöglichkeiten ihre eigene Steuerlast optimieren.

Die kompetente Beratung Studierender und ihrer Eltern kann nicht nur unmittelbare steuerliche Vorteile generieren, sondern auch langfristige Mandantenbeziehungen begründen. Mit dem richtigen Fokus auf diese Zielgruppe erschließen sich somit sowohl fachliche als auch wirtschaftliche Potenziale für die Steuerberatungspraxis.

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