
Steuerklassenwahl: Optimale Konstellationen für verschiedene Lebenssituationen

Julia Müller
Lesezeit ca. 5 Minuten / veröffentlicht am
Die Wahl der richtigen Steuerklasse ist ein wichtiger Faktor für die finanzielle Planung von Steuerpflichtigen. Je nach Lebenssituation ergeben sich unterschiedliche Optionen, die erhebliche Auswirkungen auf das monatliche Nettoeinkommen haben können. In diesem Beitrag beleuchten wir die verschiedenen Steuerklassenkonstellationen und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile für unterschiedliche Lebenssituationen.
Überblick: Das deutsche Steuerklassensystem
Das deutsche Steuersystem kennt sechs verschiedene Steuerklassen, die das Finanzamt jedem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Arbeitnehmer zuordnet. Diese Einteilung bestimmt maßgeblich den monatlichen Lohnsteuerabzug und damit die Höhe des Nettogehalts. Die Zuordnung zu einer bestimmten Steuerklasse erfolgt primär nach dem Familienstand, wobei in einigen Fällen Wahlmöglichkeiten bestehen.
Die Steuerklassen beeinflussen nicht die finale Steuerlast, die in der Jahressteuererklärung ermittelt wird, sondern lediglich die Vorauszahlungen während des Jahres. Dennoch ist die richtige Wahl wichtig, da sie direkte Auswirkungen auf die monatliche Liquidität hat und auch Entgeltersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Elterngeld oder Krankengeld beeinflusst.
Steuerklassen nach Familienstand und Lebenssituation
Singles und getrennt Lebende
Ledige, geschiedene und getrennt lebende Arbeitnehmer werden automatisch der Steuerklasse 1 zugeordnet. Diese Gruppe hat keine Wahlmöglichkeit bezüglich ihrer Steuerklasse. Der Grundfreibetrag (11.604 Euro im Jahr 2024) wird vollständig berücksichtigt, weitere besondere steuerliche Vergünstigungen gibt es jedoch nicht.
Eine Ausnahme bilden Verwitwete: Sie dürfen im Todesjahr des Partners und im Folgejahr die günstigere Steuerklasse 3 in Anspruch nehmen, wodurch sie vom doppelten Grundfreibetrag profitieren.
Alleinerziehende
Für Alleinerziehende ist die Steuerklasse 2 vorgesehen, die durch den zusätzlichen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende steuerliche Vorteile bietet. Dieser Freibetrag beträgt aktuell 4.260 Euro jährlich und erhöht sich für jedes weitere Kind um 240 Euro.
Um in diese vorteilhafte Steuerklasse eingeordnet zu werden, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Kind muss im gleichen Haushalt leben
- Keine weitere erwachsene Person darf im Haushalt wohnen
- Für das Kind muss Kindergeld oder müssen die Kinderfreibeträge bezogen werden
Die Steuerklasse 2 wird nicht automatisch zugewiesen, sondern muss beim Finanzamt beantragt werden. Die Auswertungen des Bundesfinanzministeriums zeigen, dass Alleinerziehende mit einem Kind bei gleichem Durchschnittseinkommen prozentual weniger Steuern zahlen als Singles ohne Kinder.
Verheiratete und eingetragene Lebenspartnerschaften
Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es mehrere Wahlmöglichkeiten, die je nach Einkommenssituation unterschiedliche Vorteile bieten:
Steuerklassenkombination 4/4
Nach der Eheschließung werden Paare automatisch in die Steuerklasse 4/4 eingeordnet. Hierbei wird für beide Partner jeweils der einfache Grundfreibetrag angerechnet. Diese Kombination ist besonders dann sinnvoll, wenn beide Partner ähnlich hohe Einkommen erzielen.
Steuerklassenkombination 3/5
Die Kombination aus Steuerklasse 3 und 5 ist häufig für Paare mit unterschiedlich hohen Einkommen vorteilhaft. Der Partner mit dem höheren Einkommen wählt dabei die Steuerklasse 3, in der der doppelte Grundfreibetrag (23.208 Euro) berücksichtigt wird. Der geringer verdienende Partner erhält die Steuerklasse 5, in der kein Grundfreibetrag angerechnet wird.
Diese Kombination führt in der Summe oft zu einer geringeren monatlichen Steuerbelastung, hat jedoch auch Nachteile: Der Partner mit der Steuerklasse 5 erhält geringere Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosen-, Kranken- oder Elterngeld, da diese vom Nettogehalt abhängen. Daher sollte diese Wahl wohlüberlegt sein, besonders wenn Elternzeit oder andere Auszeiten geplant sind.
Steuerklasse 4 mit Faktor
Eine Alternative zur Kombination 3/5 stellt die Steuerklasse 4 mit Faktor dar. Hier wird der Splittingvorteil bereits bei der monatlichen Lohnsteuerberechnung berücksichtigt, was zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast führt. Der Faktor wird individuell berechnet und sorgt dafür, dass die Steuerbelastung proportional zum jeweiligen Einkommen ist.
Diese Variante bietet zwei wesentliche Vorteile: Zum einen werden Steuernachzahlungen in der Jahressteuererklärung minimiert, zum anderen bleiben die Ansprüche auf Lohnersatzleistungen für beide Partner erhalten. Laut Koalitionsvertrag soll die Kombination 3/5 künftig in die Faktormethode überführt werden, wobei der genaue Zeitpunkt noch nicht feststeht.
Mehrfachbeschäftigte
Arbeitnehmer mit mehr als einem steuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis fallen mit ihrer Zweit- und jeder weiteren Beschäftigung automatisch in die Steuerklasse 6. Diese ist unabhängig vom Familienstand und führt zu den höchsten Steuerabzügen, da keine Freibeträge berücksichtigt werden. Die exakte steuerliche Belastung wird jedoch in der Jahressteuererklärung korrigiert.
Steuerliche Auswirkungen in Zahlen
Die konkreten finanziellen Auswirkungen der verschiedenen Steuerklassen lassen sich anhand der Daten des Bundesfinanzministeriums verdeutlichen. Für ein Durchschnittseinkommen von 41.242 Euro ergaben sich im Jahr 2023 folgende jährliche Steuerbelastungen (Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag):
- Ledige ohne Kinder (Steuerklasse 1): 5.340 Euro (12,9%)
- Alleinerziehende mit einem Kind (Steuerklasse 2): 4.130 Euro (10%)
- Verheiratete Alleinverdiener mit zwei Kindern (Steuerklasse 3): 2.004 Euro (4,9%)
- Verheiratete Doppelverdiener mit zwei Kindern (Steuerklasse 4/4): 10.766 Euro (13,1%)
- Verheiratete Doppelverdiener mit zwei Kindern (Steuerklasse 3/5): 10.180 Euro (12,3%)
Diese Zahlen verdeutlichen die erheblichen Unterschiede in der Steuerbelastung je nach Familienstand und gewählter Steuerklassenkombination.
Zusammenfassung: Die richtige Wahl treffen
Die Wahl der optimalen Steuerklasse bzw. Steuerklassenkombination hängt von der individuellen Lebenssituation und den finanziellen Verhältnissen ab. Während Singles kaum Wahlmöglichkeiten haben, können Alleinerziehende durch den Wechsel in die Steuerklasse 2 deutliche steuerliche Vorteile erzielen.
Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartnerschaften bieten sich je nach Einkommensverteilung unterschiedliche Optionen an. Bei ähnlichen Einkommen ist die Kombination 4/4 oder 4 mit Faktor meist vorteilhaft, während bei stark unterschiedlichen Einkommen die Kombination 3/5 günstigere monatliche Nettoeinkommen ermöglicht – allerdings mit Nachteilen bei Lohnersatzleistungen.
Ein Steuerklassenwechsel ist grundsätzlich einmal im Jahr möglich, in besonderen Fällen auch häufiger. Bei unsicheren Beschäftigungsverhältnissen oder geplanten Elternzeiten sollte die Entscheidung besonders sorgfältig abgewogen werden, da die Steuerklasse direkten Einfluss auf die Höhe von Lohnersatzleistungen hat.
Für eine fundierte Entscheidung empfiehlt sich eine individuelle Beratung, die alle relevanten Faktoren berücksichtigt und die optimale Steuerklassenwahl für die persönliche Situation ermittelt.