
Kaufmännische Führung durch Berufsträger: Freiberuflichkeit bleibt erhalten

Julia Müller
Lesezeit ca. 4 Minuten / veröffentlicht am
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem wegweisenden Urteil die steuerliche Stellung von Freiberuflern in Mitunternehmerschaften gestärkt. Für die betroffenen Berufsträger hat die Entscheidung erhebliche finanzielle Auswirkungen und schafft wichtige Klarheit bei der Abgrenzung zwischen freiberuflichen und gewerblichen Einkünften.
Übersicht
Die Abgrenzung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit hat für Mitunternehmerschaften erhebliche steuerliche Konsequenzen. Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (VIII R 4/22 vom 04.02.2025) bringt nun mehr Rechtssicherheit: Ein Berufsträger, der sich in einer Personengesellschaft vorwiegend auf administrative und organisatorische Aufgaben konzentriert, verwirklicht dennoch die freiberufliche Tätigkeit im Sinne des Steuerrechts. Dies gilt selbst dann, wenn die eigentliche Berufsausübung nur in sehr geringem Umfang erfolgt.
Die zentrale Bedeutung der BFH-Entscheidung
Der Ausgangssachverhalt
Im entschiedenen Fall ging es um eine zahnärztliche Partnerschaftsgesellschaft, in der einer der Seniorpartner hauptsächlich für die kaufmännische Führung und Organisation des Praxisbetriebs verantwortlich war. Seine zahnärztliche Tätigkeit beschränkte sich auf die konsiliarische Beratung von lediglich fünf Patienten mit entsprechend geringem Umsatz. Er war weder "am Stuhl" tätig noch unmittelbar in die praktische zahnärztliche Arbeit seiner Partner und der angestellten Zahnärzte eingebunden.
Das Finanzamt und in der Folge auch das Finanzgericht hatten die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich eingestuft. Dies hätte erhebliche steuerliche Nachteile mit sich gebracht, insbesondere die Gewerbesteuerpflicht.
Kernaussagen des BFH-Urteils
Der BFH kam zu einem anderen Ergebnis und stufte die Einkünfte als freiberuflich ein. In seiner Begründung stellte das Gericht klar:
Die freiberufliche Tätigkeit ist durch unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers gekennzeichnet.
Es reicht nicht aus, nur formal Mitglied eines freiberuflichen Katalogberufs zu sein – jeder Gesellschafter muss die Hauptmerkmale des freien Berufs in seiner Person verwirklichen.
Die persönliche Berufsqualifikation und das aktive Entfalten dieser Qualifikation am Markt sind entscheidend.
Die eigene freiberufliche Betätigung kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden. Dies umfasst administrative und organisatorische Tätigkeiten, wenn diese die Grundlage für die Ausübung der berufstypischen Leistungen bilden.
Ein gesetzlich vorgeschriebener Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit existiert nicht.
Praktische Bedeutung für Berufsträger
Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Freiberufler in Mitunternehmerschaften. Berufsträger können sich nun verstärkt auf organisatorische und administrative Aufgaben konzentrieren, ohne den steuerlichen Status der Freiberuflichkeit zu verlieren. Dies eröffnet flexible Gestaltungsmöglichkeiten für die interne Arbeitsverteilung in Personengesellschaften:
Seniorpartner können sich auf die kaufmännische Führung konzentrieren und ihre Erfahrung einbringen, ohne umfangreiche praktische Tätigkeit ausüben zu müssen.
Die Organisation des Praxisbetriebs wird als gleichwertige freiberufliche Leistung anerkannt, wenn sie von einem qualifizierten Berufsträger erbracht wird.
Auch bei geringfügiger fachlicher Tätigkeit bleibt die Freiberuflichkeit erhalten, solange diese im Rahmen der berufstypischen Tätigkeit erfolgt.
Abgrenzungskriterien zur gewerblichen Tätigkeit
Die Entscheidung des BFH verdeutlicht wichtige Abgrenzungskriterien zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit in Mitunternehmerschaften. Die steuerrechtliche Einordnung hängt von mehreren Faktoren ab:
Persönliche Berufsqualifikation
Entscheidend ist zunächst, dass der Gesellschafter über die entsprechende Berufsqualifikation verfügt. Diese muss durch Ausbildung und Zulassung nachgewiesen sein. Im entschiedenen Fall war der betreffende Partner als Zahnarzt zugelassen und verfügte über die erforderliche Qualifikation.
Form der Mitarbeit
Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit setzt nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist oder an jedem Auftrag mitarbeitet. Vielmehr kann die eigene freiberufliche Betätigung auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden. Dies umfasst:
- Organisatorische Leistungen für den Praxisbetrieb
- Administrative Tätigkeiten wie Personalangelegenheiten
- Vertretung gegenüber Behörden und Kammern
- Instandhaltung der berufstypischen Gerätschaften
Diese Tätigkeiten werden als Teil der freiberuflichen Tätigkeit anerkannt, wenn sie die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen Leistungen bilden.
Zusammenfassung
Das Urteil des Bundesfinanzhofs stärkt die Position von Freiberuflern in Mitunternehmerschaften erheblich. Es schafft Klarheit darüber, dass auch Berufsträger, die vorwiegend administrative und organisatorische Aufgaben übernehmen, die Freiberuflichkeit der gesamten Mitunternehmerschaft sichern können. Dieses Verständnis entspricht der modernen Auffassung freiberuflicher Zusammenarbeit und berücksichtigt die Vielfalt der Tätigkeitsformen innerhalb einer Berufsträgergesellschaft.
Für die Praxis bedeutet dies: Die kaufmännische Führung und Organisation einer Mitunternehmerschaft durch einen Berufsträger ist steuerlich als freiberufliche Tätigkeit anzuerkennen, selbst wenn die eigentliche Berufsausübung nur in geringem Umfang erfolgt. Dies eröffnet Freiberuflern zusätzliche Gestaltungsspielräume bei der internen Arbeitsteilung und sichert den steuerlichen Status der Freiberuflichkeit auch bei vorwiegend administrativer Tätigkeit einzelner Partner.
Das Urteil verdeutlicht: Freiberuflichkeit bemisst sich nicht an der Quantität der unmittelbaren Fachleistung, sondern an der Qualität der Mitarbeit und dem Beitrag zum Gesamterfolg der Mitunternehmerschaft durch einen qualifizierten Berufsträger.