Influencer-Besteuerung: Praxiswissen für Steuerberater

Influencer-Besteuerung: Praxiswissen für Steuerberater

Julia Müller

Julia Müller

Die Creator Economy hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Für Steuerberater ergeben sich dadurch neue Beratungsfelder, die spezifisches Wissen über die steuerlichen Besonderheiten dieser Tätigkeiten erfordern. Laut aktuellen Schätzungen hat dieser Wirtschaftszweig 2022 weltweit einen Wert von über 100 Milliarden US-Dollar geschaffen – mit steigender Tendenz.

Übersicht

Die steuerliche Betreuung von Content Creatorn und Influencern erfordert ein genaues Verständnis der anzuwendenden Rechtsgrundlagen. Das Bundesfinanzministerium hat hierzu spezielle Hinweise in Form eines FAQ-Papiers veröffentlicht, das als erste Orientierung dienen kann. Wesentliche Herausforderungen in der Beratungspraxis sind:

  1. Die korrekte Einordnung der Tätigkeit (gewerblich oder freiberuflich)
  2. Die steuerliche Behandlung von Sachzuwendungen und Produkttests
  3. Die Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Nutzung von Wirtschaftsgütern
  4. Die Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Bereich der Umsatzsteuer
  5. Die Dokumentationspflichten und Aufzeichnung verschiedener Einnahmequellen

Als Steuerberater sollten Sie Ihre Mandanten frühzeitig auf diese Besonderheiten hinweisen und entsprechende Dokumentationssysteme implementieren. Dabei ist zu beachten, dass viele Content Creator, insbesondere zu Beginn ihrer Tätigkeit, nur begrenzte Kenntnisse über ihre steuerlichen Pflichten besitzen.

Steuerliche Einordnung und Grundlagen

Gewerbliche versus freiberufliche Tätigkeit

Die steuerliche Klassifikation von Content-Creator-Tätigkeiten kann durchaus komplex sein. Grundsätzlich geht die Finanzverwaltung davon aus, dass Influencer Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, wenn sie ihre Tätigkeit selbständig, wiederholt und mit Gewinnerzielungsabsicht ausüben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie Produkte vorstellen und bewerben.

Es gibt jedoch wichtige Differenzierungen:

  • Gewerbliche Tätigkeit: Liegt vor, wenn primär Produkte beworben werden und daraus Einnahmen erzielt werden
  • Freiberufliche Tätigkeit: Kann vorliegen, wenn die Tätigkeit überwiegend journalistischer, schriftstellerischer oder künstlerischer Natur ist (beispielsweise bei der Erstellung von Fachbeiträgen oder Reiseberichten)

Diese Unterscheidung hat weitreichende Konsequenzen, insbesondere hinsichtlich der Gewerbesteuerpflicht. Als Berater sollten Sie daher eine sorgfältige Prüfung der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit vornehmen und bei Mischfällen eine präzise Abgrenzung erstellen.

Relevante Steuerarten und Freibeträge

Für Content Creator sind hauptsächlich drei Steuerarten relevant:

  1. Einkommensteuer: Die Einkommensteuerpflicht besteht grundsätzlich, wenn die Einkünfte den Grundfreibetrag von 11.784 Euro (Stand 2024) überschreiten. Bei nebenberuflicher Tätigkeit mit Haupterwerb aus nichtselbständiger Arbeit gilt eine Freigrenze von 410 Euro.

  2. Umsatzsteuer: Content Creator sind Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, wenn sie selbständig und nachhaltig Einnahmen erzielen. Die Kleinunternehmerregelung greift, wenn der Umsatz im Vorjahr unter 22.000 Euro lag und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen wird.

  3. Gewerbesteuer: Diese fällt nur an, wenn eine gewerbliche Tätigkeit vorliegt und der Gewerbeertrag den Freibetrag von 24.500 Euro übersteigt. Zu beachten sind die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen, die die Bemessungsgrundlage beeinflussen können.

Als Steuerberater ist es wichtig, Ihren Mandanten die jeweiligen Freibeträge und deren Auswirkungen auf die Steuerpflicht zu erläutern. Besonders bei wachsenden Influencer-Aktivitäten sollten Sie regelmäßige steuerliche Planungsgespräche anregen, um Überraschungen zu vermeiden.

Besonderheiten bei der Besteuerung

Erfassung und Bewertung von Sachzuwendungen

Eine besondere Herausforderung bei der Besteuerung von Content Creatorn stellt die korrekte Erfassung und Bewertung von Sachzuwendungen dar. Wenn Influencer Produkte testen, in Hotels kostenlos übernachten oder zu Veranstaltungen eingeladen werden, handelt es sich um steuerpflichtige Einnahmen.

Für die steuerliche Behandlung gilt:

  • Die Sachzuwendungen sind grundsätzlich mit dem üblichen Endverbraucherpreis anzusetzen
  • Es gibt Ausnahmen für Produkte mit einem Wert unter 10 Euro (steuerfrei)
  • Testprodukte, die ungefragt zugesandt und zeitnah zurückgeschickt werden, unterliegen nicht der Besteuerung
  • Bei pauschaler Versteuerung durch das zusendende Unternehmen fällt keine Einkommensteuer an, sofern der Wert 10.000 Euro nicht überschreitet

Wichtig ist, dass diese Steuerfreiheit nur für die Einkommensteuer gilt – umsatzsteuerliche Konsequenzen können dennoch bestehen. Die Finanzverwaltung legt zunehmend Augenmerk auf diesen Bereich, daher ist eine lückenlose Dokumentation aller erhaltenen Sachzuwendungen inklusive Wertnachweis essentiell.

Dokumentationspflichten und Aufzeichnungen

Die Dokumentationspflichten für Content Creator umfassen mehrere Bereiche:

  1. Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR): Der Gewinn ist mittels einer EÜR zu ermitteln, wobei alle Einnahmen und betrieblichen Ausgaben erfasst werden müssen
  2. Aufzeichnung verschiedener Einnahmequellen: Neben direkten Honoraren sind auch Affiliate-Marketing-Einnahmen, Sachzuwendungen und andere Vergütungsformen zu erfassen
  3. Rechnungsstellung: Bei Überschreiten der Kleinunternehmergrenze müssen formgerechte Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt werden
  4. Umsatzsteuer-Voranmeldungen: Monatliche oder quartalsweise elektronische Übermittlung an das Finanzamt

Als Steuerberater sollten Sie Ihren Mandanten geeignete Aufzeichnungssysteme empfehlen, die einen klaren Überblick über alle Einnahmen und Ausgaben ermöglichen. Besonders wichtig ist die systematische Erfassung von Sachzuwendungen, da diese oft übersehen werden.

Beratungspraxis und Risikomanagement

Abgrenzung beruflicher und privater Sphäre

Eine zentrale Herausforderung für Content Creator – und damit für ihre steuerliche Beratung – ist die Abgrenzung der beruflichen von der privaten Sphäre. Dies betrifft insbesondere:

  • Technische Ausrüstung (Kameras, Smartphones, Computer)
  • Reisekosten und Veranstaltungen
  • Homeoffice-Nutzung
  • Kleidung und Kosmetikprodukte

Bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern ist ein angemessener Privatanteil anzusetzen. Hier empfiehlt sich die Entwicklung eines individuellen Dokumentationssystems, das eine nachvollziehbare Aufteilung ermöglicht und im Falle einer steuerlichen Prüfung belastbar ist.

Vermeidung von Haftungsrisiken

Der Bereich Social Media gerät zunehmend in den Fokus der Finanzbehörden. Um Haftungsrisiken für Ihre Mandanten zu minimieren, sollten Sie folgende Maßnahmen empfehlen:

  1. Frühzeitige Gewerbeanmeldung und Übermittlung des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung an das Finanzamt
  2. Konsequente Dokumentation aller Einnahmen und Ausgaben
  3. Separate Kontoführung für berufliche Zahlungen
  4. Regelmäßige Überprüfung der Kleinunternehmergrenze und rechtzeitige Umstellung bei Überschreitung
  5. Ordnungsgemäße Erfassung und Versteuerung von Sachzuwendungen

Die Nichtbeachtung steuerlicher Pflichten kann neben Steuernachzahlungen zu erheblichen Zinsforderungen führen und in schweren Fällen strafrechtliche Konsequenzen haben. Eine präventive Beratung ist daher unerlässlich.

Zusammenfassung

Die steuerliche Betreuung von Content Creatorn und Influencern stellt Steuerberater vor besondere Herausforderungen. Die korrekte Einordnung der Tätigkeit, die sachgerechte Erfassung und Bewertung von Sachzuwendungen sowie die klare Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Sphäre sind zentrale Aspekte der Beratung.

Insbesondere die folgenden Punkte sollten in der Mandantenbetreuung besondere Beachtung finden:

  • Frühzeitige Klärung der steuerlichen Einordnung (gewerblich oder freiberuflich)
  • Implementierung geeigneter Dokumentationssysteme für alle Einnahmen, einschließlich Sachzuwendungen
  • Regelmäßige Überprüfung der relevanten Freibeträge und Grenzen (Grundfreibetrag, Kleinunternehmergrenze)
  • Beratung zur korrekten Rechnungsstellung und Umsatzsteuerbehandlung
  • Entwicklung von Strategien zur nachvollziehbaren Abgrenzung der privaten und beruflichen Sphäre

Mit dem weiteren Wachstum der Creator Economy wird dieser Mandantenkreis zunehmend an Bedeutung gewinnen. Eine spezialisierte Beratung in diesem Bereich bietet Steuerberatern die Chance, ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld zu erschließen und sich als kompetenter Partner für diese neue Generation von Unternehmern zu positionieren.

Ihre Kanzlei in der Hosentasche – Sagen Sie hallo zu Taxaro, Ihrem Kanzlei-Messenger.
Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und ersetzt keine individuelle steuerliche oder rechtliche Beratung. Trotz sorgfältiger Erstellung kann keine Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität des Inhalts übernommen werden. Für konkrete Anwendungsfälle wenden Sie sich bitte an Ihre Steuerberaterin oder Ihren Steuerberater.