
Gewinn oder Verlust? Die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen

Julia Müller
Kryptowährungen im Steuerrecht: Eine Einordnung
Die steuerliche Behandlung von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co. ist ein komplexes Feld, das für Anleger und deren Berater von großer Bedeutung ist. Anders als oft angenommen, sind Gewinne aus Krypto-Geschäften nicht generell steuerfrei. Das deutsche Steuerrecht behandelt Kryptowährungen nicht als gesetzliches Zahlungsmittel, sondern als private Wirtschaftsgüter. Dies hat zur Folge, dass Gewinne aus deren Veräußerung unter bestimmten Umständen der Einkommensteuer unterliegen.
Private Veräußerungsgeschäfte (§ 23 EStG)
Für die Besteuerung von Kryptowährungen im Privatvermögen ist primär § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG relevant. Dieser regelt die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften mit "anderen Wirtschaftsgütern".
Die Spekulationsfrist:
- Der entscheidende Faktor ist die Haltedauer. Liegt zwischen Anschaffung und Veräußerung der Kryptowährung mehr als ein Jahr, sind die Gewinne komplett steuerfrei.
- Erfolgt die Veräußerung innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung, sind die Gewinne steuerpflichtig, sofern sie die Freigrenze übersteigen.
Die Freigrenze:
- Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der Gesamtgewinn aus allen solchen Geschäften im Kalenderjahr weniger als 600 Euro beträgt.
- Wichtig: Es handelt sich um eine Freigrenze, keinen Freibetrag. Wird die Grenze auch nur um einen Cent überschritten, ist der gesamte Gewinn (nicht nur der übersteigende Teil) steuerpflichtig.
- In diese Freigrenze fallen auch Gewinne aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften (z.B. Verkauf von Kunstgegenständen innerhalb der Jahresfrist).
Was gilt als Veräußerung?
- Verkauf gegen Euro oder andere Fiat-Währungen.
- Tausch gegen andere Kryptowährungen (z.B. Bitcoin in Ethereum).
- Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen mit Kryptowährungen.
Berechnung von Gewinn und Verlust
Der steuerpflichtige Gewinn oder Verlust errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis (bzw. dem Wert der erhaltenen Gegenleistung) und den Anschaffungskosten sowie den Veräußerungskosten (z.B. Transaktionsgebühren).
FIFO-Methode:
- Bei mehreren Käufen und Verkäufen derselben Kryptowährung muss eine Verbrauchsfolgemethode angewendet werden. Die Finanzverwaltung schreibt hierfür grundsätzlich die First-In-First-Out (FIFO)-Methode vor. Es wird also unterstellt, dass die zuerst angeschafften Coins auch zuerst wieder verkauft werden.
- Beratungshinweis: Eine genaue Dokumentation aller An- und Verkäufe (Datum, Menge, Preis, Gebühren) ist für die korrekte Anwendung der FIFO-Methode und die Gewinnermittlung unerlässlich. Tools und Software können hierbei unterstützen.
Verlustverrechnung
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Kryptowährungen (innerhalb der Jahresfrist) können:
- Mit Gewinnen aus anderen privaten Veräußerungsgeschäften im selben Jahr verrechnet werden.
- Wenn keine oder nicht ausreichende Gewinne vorhanden sind, können die Verluste auf das vorherige Jahr zurückgetragen oder in zukünftige Jahre vorgetragen werden (Verlustvortrag).
- Eine Verrechnung mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten (z.B. Gehalt, Mieteinnahmen) ist nicht möglich.
Staking, Lending, Airdrops & Co.
Besondere Aufmerksamkeit erfordern Einkünfte aus Staking, Lending, Hard Forks/Airdrops oder Mining. Diese können je nach Ausgestaltung unterschiedliche steuerliche Folgen haben (z.B. sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG, gewerbliche Einkünfte) und potenziell die Haltefrist für die ursprünglichen Coins verlängern. Das BMF-Schreiben vom Mai 2022 gibt hierzu detaillierte Auskunft.
Fazit für Steuerberater
Die Besteuerung von Kryptowährungen ist ein dynamisches Feld mit vielen Fallstricken. Steuerberater müssen die aktuellen Regelungen und die Rechtsprechung genau kennen, um ihre Mandanten korrekt beraten zu können. Die Pflicht zur sorgfältigen Dokumentation aller Transaktionen auf Mandantenseite ist essenziell. Insbesondere die Einhaltung der Haltefristen, die korrekte Anwendung der FIFO-Methode und die Behandlung von Sonderfällen wie Staking oder Lending erfordern spezifisches Know-how.